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Die Aufklärung

“Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. sapere aude! habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Ist also der Wahlspruch der Aufklärung.” [D]  so sagt Kant. Jedoch ging er davon aus, dass Begriffe und Urteile nicht missbraucht werden könnten. Wenn uns das letzte Jahrhundert eines gelehrt hat, dass Begriffe manipulativ zu falschen Urteilen führen können, da die Sprache uns prägt. Die Verführung mag am Hitlerjungen Salomon deutlich werden, der nur überleben konnte, dass er quasi sich selbst verfolgte. Er hat als Jupp seine Unmündigkeit nicht selbst verschuldet, sondern er wurde sozialisiert in einem barbarischen System. Wenn wir in der Naturwissenschaften noch feststellbare außer uns liegende Sachverhalte haben und wir mit Hilfe des Verstandes zu vernünftigen Einsichten kommen können, so sind unsere sozialen Einsichten immer auch geprägt durch unsere Sozialisation. Wir stehen immer unter der Leitung anderer. Ein Menschenleben langt nicht aus um die Erkenntnisse über die Welt als einzelner durch eigenen Verstand und eigene Vernunft zu erlangen. Wir gründen unsere Ansichten immer auch auf den Erkenntnissen unserer Vorfahren. Selbst wenn wir wie Zamenhof eine Weltsprache schaffen wollten, dann müssen wir daran scheitern, denn wir sehen gar nicht, welche Irrtümer wir dabei begehen könnten.
Unser Verstand und unsere Vernunft blickt immer durch die menschliche Brille und so ist es nicht verwunderlich, dass Wittgenstein schließlich die Leiter wegschmeißen will und zum Schweigen rät. Das aber können und wollen wir nicht akzeptieren und somit ist es nahezu nicht verwunderlich, dass er auf Popper angeblich mit dem Schürhaken losgeht. Wie sehr unser Urteil an den verwendeten Mitteln hängt und die Begriffe, die sich daraus bilden, das angebliche vernünftige Urteil quasi schon anlegen, das hat Popper nie begriffen und kann es nicht begreifen. Kein Wunder, dass gerade Naturwissenschaftler lieber Popper als Wittgenstein mögen, denn zur Beschreibung eines außermenschlichen Gegenstandes mag die Methode wunderbar taugen. Doch die gemeinsame Sache, an der jeder von uns beteiligt ist, ist kein außermenschlicher Gegenstand. Wir sind in einem System in einer Gesellschaft der Gesellschaft [E]  gefangen und alles was wir über uns sagen, sagen wir von uns aus. So wie wir nicht nicht kommunizieren können im Watzlawickschen Sinne können wir uns auch nicht ausserhalb unserer menschlichen Ansicht begeben. Wir können uns nicht von außen neutral beobachten und zu einem wirklich neutralen Schluß gelangen. Es mag da zwar wesentliche Unterschiede geben, ob wir nun eher konfuzianisch oder christlich sozialisiert wurden, jedoch mögen die gar nicht so groß sein, hätten wir eine übermenschliche Perspektive.
Um so erschreckender ist es eigentlich, daß noch nicht einmal die Aufklärung wirklich bei einem Großteil der Unterlassenden angekommen ist. Es mag ja sein, dass wir unsere Unmündigkeit nicht wirkklich verlassen können, jedoch versuchen wir nicht einmal ein wenig mündiger zu werden. Im Gegenteil an jeder zweiten Ecke darf sich ein Politiker anhören, dass er das Dilemma, welches es auch immer sei, lösen soll. Der Fordernde ist dabei aber selbst Teil dieses Gegenstandes seiner Forderung und sollte erst einmal selbst versuchen seinen Beitrag zu leisten. Jedoch aufgrund seiner mangelnden Aufklärung und auch seiner mangelnden Bildung kann er es nicht. Aus dieser Erkenntnis heraus schrieb ich früher immer, dass ich mich irre und falsch liege und alles was ich schreibe falsch ist. Nur gibt es weit größere Idioten als mich, die ständig glauben, dass sie die Wahrheit sprächen und meinen alles richtig zu sehen. Gerade die Erfolgreichsten und Handlungsfähigsten gehören dazu, denn würden sie nicht Gewissheiten haben, aus denen heraus sie handeln, könnten sie es eben nicht mehr. Sie wären wie ein Mensch der vergessen hat, wie man läuft und nur noch durch die Gegend stolpert. Jeder Mensch braucht für seine Handlungen ein gewisses Grundgerüst der psychologischen Stabilität. Es ist wahrlich zum wahnsinnig werden und Nietzsche wurde es dann ja wohl auch. Letztlich verwundert es mich aufgrund der schwierigen Sachlage nicht, dass Alan Sokal sich über die Philosophie und insbesondere Lacan lustig macht. Ein Physiker hat seine Gewissheiten und schwimmt darin nicht, da sein Gegenstand außermenschlich ist. Ein Berufspolitiker und Manipulator schwimmt letztlich ebensowenig, da er sich seine Gewissheiten einfach frei erfinden kann und im derzeitigen Weltauffassung am besten noch mit naturwissenschaftlich verbrämten Zahlen untermauert, die ebenso haltlos sind wie die gesamte Erkenntnis selbst. Wir sind nicht aufgeklärt, was unser soziales Handeln anbelangt. Die Aufklärung hat viel für unsere Ansicht über die außermenschliche Welt getan, aber unsere Sicht hat auch viel zerstört was die intrinsische Seite der Menschheit anbelangt.

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