Das bayerische Polizeiaufgabengesetz ist legal. Das bedeutet es ist so, dass etwas im Rahmen der Gesetze erlaubt ist. Wie manche vielleicht wissen, gibt es Socialmediaaccounts auf Facebook und Twitter, die das bayerische Polizeiaufgabengesetz kommunizieren, nachdem es am 15.5.2018 von 90 Abgeordneten der CSU beschlossen wurde. Diese Accounts werden professionell betrieben.
Die Kommunikationsstrategie wird sich dabei keine Fehler erlauben. Es wird in den nächsten Tagen auf alle positiven Seiten des Polizeiaufgabengesetzes hingewiesen werden. Insbesondere die Handgranatenargumentation, die so beliebt ist, wird dabei nicht funktionieren. Eine Gesetzesregelung wird nicht dadurch schlecht, dass Handgranaten im Gesetzestext vorkommen. Der Gesetzgeber steht durchaus vor der Aufgabe alles zu regeln, was im Leben so vorkommen kann. Das Olympiaattentat von 1972 hat zur Gründung der GSG9 geführt, da die junge Bundesrepublik nicht fähig war, einem solchen Anschlag zu begegnen. Betrachtet man sich den 11. September 2011 gibt es auch Ereignisse, die schlimmer sein könnten als die Ereignisse von 1972.
Die Schwierigkeit eines Rechtsstaates besteht in der Güterabwegung von der Freiheit des Einzelnen und der Sicherheit der Allgemeinheit. Einerseits muss er sich beschränken um die Freiheit des einzelnen zu gewährleisten, andererseits gibt es Verbrecher, die sich die Schwäche, die ein Rechtsstaat durch diese Beschränkungen hat, ausnutzen.
Dieser Artikel hier mag jetzt für denjenigen der gegen das Polizeiaufgabengesetz ist, merkwürdig erscheinen, weil hier ein offensichtlicher Gegner für das Polizeiaufgabengesetz argumentiert. Häufig genug hatte ich Argumentationsleitlinien in meinem Leben an der Hand, die einem Anrufer, einen Sachverhalt erklärten, von dem ich selbst nicht überzeugt war. Der Kern war eigentlich immer nur die positiven Seiten herauszustellen und die negativen Seiten zu verschweigen.
Das bayerische Polizeiaufgabengesetz ist legal., ist eine solche positive Aussage. Ebenso kann solange das Verfassungsgericht kein Urteil gefällt hat, behaupten, dass das bayerische Polizeiaufgabengesetz verfassungskonform sei. Das Gesetz durchlief den normalen Prozess des Gesetzgebungsverfahren, wurde im Parlament entsprechend beschlossen.
Dann gibt es diverse Tricks, wie Sand in die Augen gestreut werden können. Eine Aussage wie „Eine Verhaftung erfolgt auf Grund des Polizeiaufgabengesetzes nicht.“ ist vollkommen korrekt. Weitere Fragen kann man danach auch abblocken mit „Der Umfang und die Tiefe ihrer juristischen Einlassung kann hier nicht weiter erörtert werden.“ Die Strategie die negativen Seiten des Polizeiaufgabengesetzes auszulassen ist damit gesetzt. An einer Telefonhotline würde das sicherlich ähnlich passieren mit „Am Telefon lässt sich das hier, schlecht erörtern, aber wir haben Unterlagen, die sie genauer informieren, die schicken wir Ihnen gerne zu.“ Solche Unterlagen werden selbstverständlich ebensowenig auf die negativen Seiten des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes eingehen.
Sobald jemand mit einem Fallbeispiel an kritische Punkte käme, können diese wunderbar mit „Hierbei handelt es sich um Einzelfälle, die pauschal nicht beantwortet werden können.“ abgeblockt werden. Manch einer wird sich beim Lesen jetzt fragen – „Um Himmels willen, was treibst du hier, du kannst denen doch nicht noch eine Anleitung schreiben.“ – die ist schon längst geschrieben, ein paar der Aussagen stammen wörtlich zitiert vom diesen NeuenPAG-Accounts. Da sind Profis am Werk, die wissen, was sie tun. Die Kampagne ist vermutlich auch schon länger geplant. Sie wurde sicherlich auch vor dem 15.5.2018 in Auftrag gegeben. Ich bezweifle, dass die Gegenüber an den Socialmediaaccounts normale Beamte sind. Möglicherweise sind es noch nicht mal Beamte sondern Agents einer Mediaagentur.
Der Agent würde, wenn er wirklich sagen würde, was er selbst denkt, seinen Job verlieren. Er kann nur im Rahmen seines Argumentationsleitfadens argumentieren und sollte etwas neues auftreten, was in der Vergangenheit noch nicht aufgetreten ist, dann gibt es einen Secondlevel, der das klärt, wie in solchen Fällen zu verfahren ist und es geht garantiert nur beim ersten Mal in der Kommunikation schief. Beim zweiten Mal sicherlich nicht. Je länger der Account betrieben wird, desto besser wird er werden die positiven Seiten des Polizeiaufgabengesetzes darzustellen.
Manche meinen, dass dies nicht funktionieren wird. Die muss ich leider enttäuschen. Das wird funktionieren. Das bayerische Polizeiaufgabengesetz wird mit dieser Imagekampagne einen Heiligenschein bekommen. Kommunikationsprofis wissen, was sie tun. Intelligente Menschen mögen sich auch über diverse Homeshoppingkanäle lustig machen, wo der letzte Schrott verkauft wird. Sie mögen sich auch fragen, wer kauft denn sowas. Die Leute, die sowas verkaufen, die wissen was sie tun. Beim bayerischen Polizeiaufgabengesetz handelt es sich zwar nicht um ein billiges Produkt, dass für den zehnfachen Preis verkauft wird, aber die Imagekampagne hat hier die Aufgabe die positiven Seiten des bayerischen Polizeiaufgabengesetz herauszustellen und das werden die Profis gnadenlos tun. Sie werden die Schwächen des Gesetzes sogar besser kennen, als die Gegner selbst.
Es ist durchaus möglich, dass bei einer solchen Kampagne, der Personaldurchsatz hoch ist, weil ein Agent es irgendwann seelisch nicht mehr verkraftet, weil ihm mit der Zeit bewusst wird, was er da für einen Schrott verkaufen muss. Es gibt aber auch Agents die haben keine Moral und sind skrupellos. Die stört es nicht weiter, wenn sie den Menschen Schrott andrehen, Hauptsache das Geld stimmt.
Widersprüchlichkeiten spielen dabei keine Rolle. Wenn wir obigen Verhaftungssatz nehmen – der dahingehend korrekt ist, dass es keine „Verhaftung“ juristisch ist, kann im selben Atemzug auch geantwortet werden „Den Gewahrsam, den das bayerische Polizeiaufgabengesetz regelt, muss ebenfalls ein Richter hinsichtlich Fortdauer und Zulässigkeit anordnen.“
Es wird aber sorgfältig darauf geachtet werden, dass keine Falschaussagen getätigt werden. Die mag hin und wieder einmal vorkommen, aber eben nur einmal.
Die Kommunikationsprofis werden nicht so dumm und plump sein wie Joachim Herrmann. Im Gegenteil sie werden auch Fehler die von Einzelnen gemacht worden sind, versuchen auszubügeln wie zum Beispiel „Wie der Landespolizeipräsident in seinem Chat schon betont hat: Die Äußerungen des Beamten sind nicht akzeptabel.“ als Aussage zu dem Polizeirat.
Vieles mag an dem Polizeiaufgabengesetz auch diskutabel sein, wenn man sich darauf einlässt. Hier sollte man sich aber nichts vormachen, gegen diese Kommunikationsprofis dürfte ein Normalbürger so gut wie keine Chance haben. Er wird wenn er ein absoluter Gegner dieses rechtsstaatsfeindliche Gesetz ist, höchstens frustriert aus so einem Chat rausgehen, dass er den Gegner nicht überzeugt hätte. Eventuell holt er kleine Siegpunkte wie, dass sie zugegeben haben, dass das Gesetz zu kompliziert sei. Solche Siegpunkte sind aber kalkuliert. Im Gegenteil ist bei einer Aussage „zu kompliziert“ noch anschlussfähig, dass es ja deswegen diese Kampagne gäbe.
Halten wir fest, es gibt positive Seiten des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, die sich darstellen lassen und es ist legal beschlossen worden. Allerdings gibt es ein paar Knackpunkte, die nicht beseitigt werden können und die sind moralischer und ethischer Natur. Die haben nichts mit Legalität zu tun, denn auch die Rassengesetze der Nationalsozialisten waren legal. Das etwas legal ist, bedeutet nicht das es legitim ist und das es in Ordnung wäre.
Mein Lieblingsargument gegen das Polizeiaufgabengesetz ist rein moralischer und philosophischer Natur. Ein Gedankengang der für einen vernünftigen denkenden Menschen objektiv nachvollziehbar ist. Diesen Gedankengang muss man nicht teilen, aber wer ihn nicht teilt, der erfährt zumindest von sich selbst, dass er im Sinne von Hannah Arendt nicht mehr bereit ist für das Gute einzutreten. Objektiv lässt sich in letzter Konsequenz, der freie Mensch nicht beweisen. Noch nicht einmal die Existenzberechtigung des Einzelnen oder der gesamten Menschheit lässt sich beweisen. Es ist eine Prinzipentscheidung. Es ist die moralische Entscheidung eines Menschen, in dem Fall ich selbst, der sich dazu entscheidet, dass jeder Mensch frei sein darf und das jeder Mensch seine Existenzberechtigung hat. Von diesem Prinzip her lässt sich aber sofort auch argumentieren und was ist wenn ein anderer Mensch mit einer Waffe auf dich losgeht? Und genau hier kommt die staatliche Ordnung und die Polizei in das Spiel. Zwei Dinge hat sie im Prinzip zu gewährleisten, wenn diese Entscheidung das die Freiheit des Einzelnen gesetzt und klar ist. Die Freiheit des Einzelnen zu gewährleisten bei der gleichzeitigen Entscheidung, dass die Freiheit des Einzelnen nur gewährleistet werden kann, wenn die Menschen sich nicht untereinander beeinträchtigen. Es ist ja nicht so, dass ich der Erste wäre, der solcherlei Gedanken hat. Im Eindruck der ungeheuerlichen Taten, die die Nationalsozialisten begangen haben, haben Überlebende, die dahingehend vorsortiert sind, dass sie eher Opfer als Täter des Systems waren, also die Minderheit, 20 Regeln am Anfang des Grundgesetzes aufgeschrieben. Diese zwanzig Regeln wollten sie zusätzlich noch durch eine Ewigkeitsklausel schützen. Interessant ist dabei durch aus, wo sie die Einschränkung per Gesetz zugelassen hatten und wo nicht. Die Ewigkeit währte leider nur 19 Jahre allerdings sieben Jahre länger als der tausendjährige Reich.
Wer nun ein Blick in das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz wirft, darf sich überlegen, ob der Satz der aus dem Schutz der Privatsphäre heraus resultiert und einen essentiellen Bestandteil menschlicher Freiheit darstellt:
„Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.“
erfüllt ist. Wir sind da noch nicht beim Existenzrecht des Menschen oder dem Freiheitsentzug den das bayerische Polizeiaufgabengesetz durch den Gewahrsam ja auch einschränkt. Wir sind da nur bei einem kleinen rechtsstaatlichen Baustein in dem der Rechtsstaat sich dazu verpflichtet, das Recht auf Privatsphäre zu achten. Dabei ist er selbstverständlich und das wussten auch die Verfasser dieses Satzes in seinen Möglichkeiten eine Tat im Vorfeld zu ermitteln beschränkt. Die Verfasser dieses Satzes waren ja nicht so dumm, nicht zu wissen, dass eine Verabredung zum Mord nicht auch über Telefon oder Email erfolgen könnte. Sie wussten es möglicherweise sogar wesentlich besser als unsere Generation. Denn der Widerstand unter der Herrschaft der Nationalsozialisten hat das selbstverständlich trotzdem gemacht, obwohl das Postgeheimnis nicht gewahrt war. Wie gesagt auch am 23.5.1949 gab es Einschränkungen per Gesetz. Zum Beispiel bei Artikel 8 – die Versammlungsfreiheit sahen die Verfasser des Grundgesetzes als weniger wichtig und ließen Einschränkung per Gesetz zu. Bei Artikel 10 war die Formulierung zunächst im Entwurf als Artikel 11 anders. Erst 1968 wurde das Gesetz wesentlich erweitert. Aber die Privatsphäre war den ursprünglichen Verfassern wichtig, sonst hätte man darum nicht so gerungen.
Unabhängig davon wie die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland weiter gegangen ist, nach dem 23.5.1949, mag jeder für sich selbst entscheiden, wie wichtig ihm die Rechtsstaatlichkeit ist. Ein Rechtsstaat ist ein Staat, dessen verfassungsmäßige Gewalten rechtlich gebunden sind, der insbesondere in seinem Handeln durch Recht begrenzt wird, um die Freiheit der Einzelnen zu sichern. Eine Polizei, die in ihrem Polizeiaufgabengesetz den Satz „Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.“ verletzt ist definitiv keine Polizei eines Rechtsstaat. Es mag Gründe geben, die Privatsphäre nicht ganz so absolut zu sehen, wie sie 1949 niedergeschrieben worden sind. Aber keiner dieser Gründe trifft für die normalen Aufgaben der Polizei zu. Tatsächlich wurde ja die Gesetzeseinschränkung des Artikel Zeihn mit der Begründung in das Grundgesetz geschmuggelt, dass man doch für den Fall des Notstandes Handlungsmöglichkeiten haben müsste. Diese in das Grundgesetz gerissene Lücke wird nun dazu benutzt das Rechtsstaatsprinzip aufzugeben. Eine Mehrheit repräsentiert durch die 90 Abgeordneten der CSU im bayerischen Landtag kann das legal tun. Das dieser Staat allerdings nach objektiven Kriterien dann noch ein Rechtsstaat sei, diese Behauptung kann dann nicht mehr aufgestellt werden. Die Selbstbeschränkung eines Rechtsstaats wurde in diesem Moment als die 90 bayerischen CSU-Abgeordneten für dieses Gesetz stimmten aufgegeben. Da ist es egal, was das Verfassungsgericht später meint. Es ist hier ein moralisches, ethisches Prinzip. Eine Entscheidung, die die Gesellschaft für sich selbst treffen muss. Selbst wenn Freißler dann nach Rassengesetzen urteilt, hat das nichts mit Rechtsstaat zu tun. Auch unter den Nationalsozialisten sind legale Prozesse passiert. Ein Rechtsstaat ist mehr als seine Legalität und eine Mehrheitsentscheidung. Ein Rechtsstaat ist ein Prinzip.