Die Logik des Nächsten Schritts – Die Soziale Überlagerung
Die gesetzliche Rente kann stabiler finanziert werden, wenn wir die Einnahmebasis auf die gesamte Wirtschaftsleistung (Konsum, Steuern) erweitern – ähnlich der Schweiz oder den Niederlanden. (siehe https://babsi.de/ueber-135-jahre-deutsche-rentenversicherung-umlageverfahren-vs-kapitaldeckung/)
Doch warum hier aufhören? Angesichts von über 90 Millionen Menschen in der EU, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, ist eine nationale Stückwerk-Lösung kaum zukunftsfähig. Die Lösung liegt in einem Europäischen Sozialen Sicherheitsnetz.
Die Vision: Wir brauchen keine Europäische Rentenversicherung, die die nationalen Systeme (SGB VI, CNAV etc.) ersetzt. Wir brauchen eine Europäische Basissicherung (EBS), die als zusätzliche, obligatorische Schicht nationaler Grundsicherungen dient – eine Soziale Überlagerung.
- Der politische Gewinn: Die EBS würde die höchsten nationalen Sozialleistungen (den sogenannten „Pull-Faktor“ für Migration) neutralisieren, indem sie ein einheitliches Existenzminimum in der gesamten EU garantiert.
- Der ökonomische Anreiz: Ein ambitioniertes Existenzminimum (z.B. 1200 € monatlich, angepasst an die höchsten Lebenshaltungskosten) würde in strukturschwachen, günstigeren Regionen die Kaufkraft massiv erhöhen. Das ist eine effektive, indirekte Regionalförderung.
Die Makroökonomische Wahrheit – Das Brötchen-Argument
Wird über diese EBS diskutiert, kommt sofort das Argument der Unbezahlbarkeit. Die Brutto-Jahreskosten für 90 Millionen bedürftige Bürger liegen bei diesem hohen Niveau bei rund 1,3 Billionen Euro. Das scheint astronomisch.
Hier irren die Skeptiker, weil sie statisch und nicht dynamisch denken:
- Im Verhältnis zum BIP: Die 1,3 Billionen Euro sind weniger als 8% des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP) der gesamten EU (ca. 17 Billionen €). Die EU ist finanziell in der Lage, diese Mittel aufzubringen.
- Die Illusion des Geschenks: Für einen Großteil der Mittelschicht wäre die EBS ein Nullsummenspiel, da sie durch die Streichung von Steuerfreibeträgen und indirekten Subventionen gegenfinanziert würde.
- Der Konsum-Multiplikator: Die 90 Millionen Menschen am unteren Ende der Einkommensskala, die das Geld dringend benötigen, geben es sofort aus. Dieses Geld wird nicht gespart. Die Folge ist ein sofortiger Schub der Binnennachfrage.
Das Brötchen-Argument: Wenn ein Bäcker ein Brötchen wegwirft, weil ein armer Kunde es sich nicht leisten kann, entgehen dem Staat die Mehrwertsteuer und die Gewinnsteuern. Wird das Geld durch die EBS ausgezahlt, wird das Brötchen gekauft, was sofort Steuereinnahmen generiert. Die EBS finanziert sich durch die Aktivierung brachliegender Wirtschaftskraft selbst teilweise.
Wer dies ablehnt, argumentiert nicht ökonomisch, sondern aus einer moralisch aufgeladenen Haushaltslogik heraus, die die dynamischen Effekte der Makroökonomie ignoriert.
Das Politische Problem – Souveränität statt Machbarkeit
Die größte Hürde ist nicht die finanzielle Machbarkeit, sondern die politische Bereitschaft zur Transformation.
| Die Ökonomische Erkenntnis | Die Politische Realität |
| Die EBS ist finanzierbar und generiert durch den Multiplikator neue Steuereinnahmen. | Der Glaube der Bürger (insbesondere der Nettozahler) an die Unbezahlbarkeit ist tief verwurzelt. |
| Die EBS neutralisiert den Pull-Faktor der Migration, indem sie die sozialen Anreize harmonisiert. | Die nationalen Regierungen geben die Souveränität über die Sozialbudgets – ein Kerninstrument der nationalen Loyalität – nicht ab. |
| Die EBS fördert die soziale und wirtschaftliche Konvergenz in der EU. | Es fehlt die soziologische Identifikation als ein europäisches Volk, um eine massive, permanente Transferunion zu akzeptieren. |
Die Debatte über die Zukunft Europas ist heute eine politische und soziologische Frage der Solidarität – nicht eine Frage der vorhandenen Mittel. Wir können es uns leisten, die Frage ist, ob wir es wollen.
