Vom „Mathe-Trick“ zur Mengenlehre: Mein 8-Stunden-Trip in den Collatz-Kaninchenbau

Es passierte zwischen Tür und Angel. Mein Sohn – mathematisch mittlerweile in Sphären unterwegs, in denen ich nur noch mit Sauerstoffgerät hinterherkomme – grinste mich an: „Papa, nenn mir mal eine ganz beliebige Zahl.“

Ich, ahnungslos: „7.“

Was folgte, war mein erster Kontakt mit der Collatz-Vermutung. 7 ist ungerade, also mal 3 plus 1 = 22. Dann 11, dann 34, 17, 52, 26, 13, 40, 20, 10, 5, 16, 8, 4, 2, 1. Und zack – die Falle schnappt zu: 4-2-1. Egal was ich ihm hinwarf, er führte mich immer wieder in diese Schleife. Meine erste Reaktion war naiv: „Ja, logisch, irgendwann muss es ja bei der 1 landen, oder?“

Acht Stunden später weiß ich: Nichts daran ist logisch. Es ist eines der größten ungelösten Rätsel der Mathematik. Aber ich habe angefangen, das Problem auf meine Weise zu sezieren – über die Struktur der Zahlen selbst.

1. Zahlen sind keine Symbole, sie sind „Container“

Um zu verstehen, warum die Folge nie bei der 0 landet, muss man tiefer graben. Ich habe mir das Modell von John von Neumann angeschaut. Er stellt sich Zahlen nicht als Ziffern vor, sondern als Mengen – wie ineinander verschachtelte Boxen.

  • Die 0 ist die leere Menge: ∅.
  • Die 1 ist die Box, in der die 0 liegt: {∅}.
  • Die 2 enthält die 0 und die 1: {∅,{∅}}.

Jede Zahl ist also eine in sich geschlossene, endliche Struktur. Wenn mein Sohn mir eine Zahl nennt, gibt er mir eigentlich ein hochkomplexes Paket aus ineinander verschachtelten Hierarchien.

2. Die Collatz-Operation als Struktur-Massaker

Ich habe versucht, die Collatz-Schritte als Transformation dieser Boxen zu sehen:

  • Division durch 2: Wir reduzieren die Tiefe der Verschachtelung. Das System „schrumpft“ strukturell.
  • 3n + 1: Wir blähen die Struktur massiv auf und fügen durch das „+1“ eine völlig neue Schicht hinzu.

Meine naive Vermutung vom Nachmittag war: „Irgendwann muss der Schrumpfprozess doch gewinnen, weil die Strukturen doch endlich sind.“ Aber mathematisch ist das ein Schlachtfeld. Eine ungerade Zahl wächst strukturell so stark, dass man nicht einfach beweisen kann, dass sie jemals wieder klein wird.

3. Warum die Null die „verbotene Zone“ ist

Die 0 ist bei Collatz unerreichbar, weil der Algorithmus die letzte Box niemals öffnen kann. In der von-Neumann-Welt ist die 0 die absolute Leere. Da man bei einer ungeraden Zahl immer etwas hinzufügt und eine gerade Zahl (mindestens 2) nur halbiert, bleibt am Ende immer ein Kern übrig. Die 1 ({∅}) ist der absolute Ankerpunkt.

4. Das Fazit: Eine Million für einen Beweis

Nach acht Stunden Recherche und mengentheoretischen Grübeleien versuchte ich, vor meinem Sohn ein bisschen mit meinem neuen Wissen zu glänzen. Ich erklärte ihm, dass diese 4-2-1-Schleife eigentlich ein struktureller Kollaps von Mengen-Hierarchien sein muss.

Sein trockener Kommentar: „Wenn dem so ist, gibt dir eine japanische Zeitschrift eine Million dafür. Aber das ist kein Beweis.“

Bäm. Da war sie wieder, die mathematische Realität. Er hat recht: Eine schöne Intuition ist in der Welt der Zahlen nichts wert ohne den lückenlosen, formalen Beweis. Die Million (der ausgelobte Preis einer japanischen Stiftung) bleibt also vorerst dort, wo sie ist. Und ich bleibe bei der Erkenntnis: Mein Sohn ist mir nicht nur im Rechnen überlegen, sondern auch im Realismus.

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