Zwei Welten, kein Strom

Googles privater Goldrausch und Trumps politische Wind-Blockade^[1][2][3]

Am 22. Dezember 2025 ereigneten sich in den USA zwei Nachrichten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben – und gemeinsam doch ein präzises Bild unserer energiepolitischen Gegenwart zeichnen. Alphabet, der Mutterkonzern von Google, kündigte den Kauf des Energieentwicklers Intersect Power für 4,75 Milliarden Dollar an. Wenige Stunden später ordnete die Trump-Regierung den sofortigen Stopp von fünf der größten Offshore-Windprojekte an der US-Ostküste an.^{[4][2][3][5][6][7][1]}

Es ist ein Lehrstück über zwei Welten, die sich immer weiter voneinander entfernen: Auf der einer Seite Konzerne, die mächtig genug sind, sich ihre eigene Energie-Realität zu kaufen. Auf der anderen Seite eine Politik, die unter dem Vorwand der „nationalen Sicherheit“ genau jene Infrastruktur blockiert, auf der künftige Sicherheit beruhen müsste.^{[3][5][7][8][9]}

Der politische „Black Monday“ der Energiewende
Die Liste der gestoppten Projekte liest sich wie das Who-is-Who der amerikanischen Energiewende: Vineyard Wind, Revolution Wind, Sunrise Wind, Empire Wind 1 und das kommerzielle Offshore-Projekt von Coastal Virginia. Milliardeninvestitionen, teilweise weit fortgeschrittene Bauphasen, tausende Arbeitsplätze – per Dekret eingefroren.^{[5][6][7][10][11]}

Die offizielle Begründung wirkt technokratisch und dramatisch zugleich: Die rotierenden Rotorblätter und reflektierenden Türme könnten Radaranlagen stören, sogenannte „Radar Clutter“ erzeugen und militärische Ziele verschleiern. Innenminister Doug Burgum sprach von „aufkommenden nationalen Sicherheitsrisiken“ in einer Welt sich rasant entwickelnder Gegnertechnologien.^{[7][9][12][5]}

Nur: Dieses Argument ist weder neu noch ungeprüft. Alle betroffenen Projekte hatten jahrelange Genehmigungsverfahren durchlaufen, inklusive Bewertungen durch das Verteidigungsministerium. Das Problem möglicher Radarinterferenzen ist seit über einem Jahrzehnt bekannt – und lösbar. Software-Upgrades, Filteralgorithmen, neue Radarsysteme: Eine eigene Arbeitsgruppe von Energie- und Verteidigungsministerium arbeitet seit Jahren genau daran. Entwickler finanzieren diese Anpassungen routinemäßig mit.^{[6][9][13][14]}

Die plötzliche Wiederentdeckung eines angeblich unbeherrschbaren Risikos wirkt deshalb weniger wie eine sicherheitspolitische Erkenntnis als wie ein politischer Hebel. Zumal nur zwei Wochen zuvor ein Bundesgericht einen ähnlichen Erlass der Regierung als „willkürlich und rechtswidrig“ aufgehoben hatte. Was folgt, ist keine Kurskorrektur, sondern eine Umgehung.^[10][15][16]

Wenn Politik Planung zerstört
Die ökonomischen Folgen ließen nicht auf sich warten. Die Aktien des dänischen Windkonzerns Ørsted verloren zweistellig an Wert. Gewerkschaften warnten vor dem Verlust tausender gut bezahlter Arbeitsplätze. Und besonders brisant: Dominion Energy, verantwortlich für das Offshore-Projekt vor Virginia, warnte offen vor Risiken für die Netzstabilität in einer der sensibelsten Regionen der Welt.^{[11][15][17][6]}
Denn Virginia ist mehr als ein Bundesstaat mit Windpotenzial. Es ist das globale Epizentrum der Rechenzentrumsindustrie – die physische Grundlage der Cloud und der KI-Ökonomie. Wer hier den Ausbau stabiler, sauberer Stromquellen blockiert, gefährdet nicht nur Klimaziele, sondern die Infrastruktur der digitalen Welt selbst.^[17][6]

Googles Antwort: Rückzug aus der Öffentlichkeit
Während die öffentliche Energieplanung politisch blockiert wird, zeigt Google, wie marktmächtige Akteure inzwischen reagieren. Der Kauf von Intersect Power ist kein grünes Prestigeprojekt, sondern ein strategischer Akt der Selbstverteidigung. Eigene Solar-, Speicher- und Netzanbindungen, direkt gekoppelt an Rechenzentren – vorbei an überlasteten Netzen, vorbei an regulatorischer Unsicherheit.^{[2][8][18][4][3]}

Google kauft sich damit etwas, das Staaten zunehmend nicht mehr garantieren können: Planungssicherheit. Der Deal ist ein Symptom eines größeren Trends: Weg vom Vertrauen in öffentliche Infrastruktur, hin zur privaten Energie-Souveränität. Diplomatischer Kapitalismus reicht nicht mehr. Es entsteht ein infrastruktureller Separatismus der Starken. „Intersect will help us expand capacity, operate more nimbly in building new power generation in lockstep with new data center load“.^[19][8][3]

Zwei Welten, keine Brücke

Die Gleichzeitigkeit dieser Ereignisse ist kein Zufall, sondern ein Signal. Wenn Energiepolitik zur ideologischen Arena wird, reagieren Märkte nicht mit Geduld, sondern mit Flucht. Wer es sich leisten kann, baut eigene Netze, kauft eigene Kraftwerke, sichert sich Versorgung außerhalb politischer Reichweite. Wer das nicht kann, bleibt abhängig von Entscheidungen, die sich über Nacht ändern können.^[18][3]

Die Ironie ist bitter: Unter dem Banner der „nationalen Sicherheit“ wird eine Transformation sabotiert, die langfristige Sicherheit erst ermöglichen würde – ökonomisch, technologisch, geopolitisch.^[5][7]

Die Lehre reicht weit über die USA hinaus. Auch in Deutschland wird „Technologieoffenheit“ oft beschworen, wenn eigentlich Entscheidungsvermeidung gemeint ist. Doch Energie- und Industriepolitik dulden keinen Schwebezustand. Wer alles offenhalten will, hält am Ende nichts fest.

Der 22. Dezember 2025 markiert keinen Einzelfall, sondern eine Weggabelung. Die Frage ist nicht, ob die Energiewende kommt. Die Frage ist, wer sie noch gemeinsam gestaltet – und wer sich längst aus ihr herausgekauft hat.^[2][5]

Zwei Welten, keine Brücke

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