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„Am Band“ – Als ein Cockney-Akzent die Wende vorwegnahm

Oberbayern, ca. 1984 https://kieselsteinchen.de/kapitel-19-am-band/. In einer Fabrikhalle, die Fenster für Saudi-Arabien schweißt, hätte niemand die deutsche Einheit erwartet. Schon gar nicht zwischen einem Briten und einem Bayer. Doch während Reiner E. Pilz – später bekannt als CD-Pionier der Wende – noch Fenster produzierte, schrieben zwei Arbeiter unbewusst ihre eigene Vor-Geschichte.

Ian, ein Cockney mit rauer Stimme, und der Autor verstanden sich ohne Worte. Zwischen Fließband-Rattern und Ölschmieren diskutierten sie Platon – während ihre Hände Aluminiumprofile für Riad sortierten. „Sein Akzent ist bis heute in meinem Ohr“, erinnert sich kieselsteinchen. Damals ahnte niemand, dass ihr Chef Jahre später mit demselben improvisierten Charme das erste DDR-West-Joint-Venture aushandeln würde.

Doch der Schein trügt. Der SPIEGEL titelte 1990 zwar „Reiner Zufall“ über Pilz’ Deal mit dem Kombinat Robotron – doch der eigentliche Zufall war: Schon 1985, zwischen Fensterlieferungen und Schichtpausen, probte man hier Globalisierung im Kleinen. Während Ian Deutschflüche und der Autor Cockney-Slang lernte, exportierte die Firma nicht nur Glas, sondern auch etwas, das in keiner Statistik steht: Menschlichkeit.


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