Die Große Nichtbefolgung: Amerikas Zerfall im Föderalismus-Duell

Sacramento / Austin, Mai 2029 – Der schleichende Zerfall der USA ist nicht in Washington, sondern im Spannungsfeld zwischen den Bundesstaaten angekommen. Seit der neue, dem „Project 2025“ nahestehende Präsident mit Exekutivbefehlen die Macht des Bundes zementiert, ist die Verfassung zur Farce geworden.

Der Anfang vom Ende war nicht eine Revolution, sondern ein Duell der Dekrete.

In Texas lehnte der Gouverneur bereits seit Monaten alle Bundesbefehle zu Grenzschutz und Energiepolitik ab, wobei er sich auf den „Texas Sovereignty Act“ berief – ein Gesetz, das die Nichtbefolgung von Bundesgesetzen ermöglicht. Die Bundesregierung hatte die Macht nicht, dies zu stoppen, da der Supreme Court tief gespalten war und keine klare Linie zog.

Der eigentliche Wendepunkt kam jedoch in Kalifornien. Nach der Verkündung der „Gesetze zur Nationalen Einheit“ durch den Präsidenten, die Bundesbehörden erlaubten, Demonstrationen zu zerschlagen und Medienschaffende zu überwachen, erließ die Gouverneurin von Kalifornien einen Notstands-Erlass: „Sanctuary of Rights Act“.

Dieser Erlass, der sofort von New York und Illinois kopiert wurde, untersagte allen staatlichen und lokalen Behörden, Bundesbefehle umzusetzen, die gegen Bürgerrechte oder die Pressefreiheit verstießen. Die lokalen Polizeichefs in San Francisco und New York erklärten öffentlich, sie würden keine Bundeseinsätze gegen Journalisten oder Demonstranten unterstützen.

Das Ergebnis ist der Tod der Bundesautorität: In einem Drittel des Landes verweigern radikale rechte Staaten die Umsetzung von Umwelt-, Sozial- und Migrationsgesetzen. In einem weiteren Drittel verweigern demokratische Staaten die Umsetzung von Sicherheits-, Überwachungs- und Bürgerrechtsgesetzen. Der Präsident kontrolliert die Exekutive, aber die Bundesstaaten kontrollieren die Ausführung der Gesetze vor Ort. Das Land ist formal noch vereint, aber es hat zwei Dutzend verschiedene Rechtsordnungen in den wichtigsten Fragen. Der Föderalismus hat sich in fragmentierte Staatlichkeit verwandelt.


Für die Doofen

Reiche zerfallen oft von innen. Der Mythos des amerikanischen Zerfalls ist der Bürgerkrieg (extern), die Realität ist der Sowjet-Zerfall (intern).

  1. Der Zerfall als administrativer Akt: Die Sowjetunion ist nicht an einer feindlichen Invasion zerbrochen. Sie zerfiel, als die Republiken (das Äquivalent der US-Bundesstaaten), angeführt von lokalen, mächtigen Führern, einfach beschlossen, die Befehle aus Moskau zu ignorieren. Der Zerfall der USA würde nicht durch eine Unabhängigkeitserklärung beginnen, sondern durch die „Große Nichtbefolgung“ (Nullification Crisis 2.0).
  2. Zentralmacht vs. Peripherie (China, Zarenreich): Große Imperien mit starrer, nicht reformierbarer Zentralmacht zerfallen, wenn die Regionalfürsten (die Gouverneure und lokale Machteliten) erkennen, dass die Loyalität zur Region profitabler ist als die Loyalität zur Zentrale. Im Zarenreich fielen die Gebiete nicht an Deutschland, sondern an die lokalen Machtstrukturen.
  3. Die Lücke der Gründerväter: Die Verfassung ist nicht für ideologisch geschlossene Parteien gedacht. Sie ist wie ein Vertrag zwischen Partnern mit gemeinsamen Grundregeln. Wenn die Partner (die Parteien) beschließen, dass ihre ideologische Reinheit wichtiger ist als die Funktion des Bundes, wird das System von Checks and Balances zur Checks and Blockades. Da der Präsident ein gewählter König mit viel zu viel Macht ist, zerbricht das System, wenn diese Macht von den Peripherien (den Bundesstaaten) nicht mehr anerkannt wird. Es ist der Zerfall der Loyalität – nicht der Mauer.

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